World Championships | 30.07. - 12.08.2018

WM der olymp. Bootsklassen in Aarhus

Saisonbericht von Theodor Bauer

Mein Jahreshöhepunkt, die Weltmeisterschaft im dänischen Aarhus liegt hinter mir.

Ich kann mit Stolz behaupten, dass ich mit einem 33. Platz von 165 Startern sehr zufrieden bin, vor allem, wenn ich auf die letzten 200 holprigen Tage vor dem ersten Startschuss zurückblicke. Der größte Teil meiner Saison verlief ganz und gar nicht nach Plan…

Der erste Programmpunkt im Januar war mein erster Weltcup meines Lebens gekoppelt mit meinem ersten Aufenthalt in den USA - genauer gesagt - im berühmten Miami.

Wenig Wassertraining, Temperaturunterschied, Jetlag, und viel Wind verhinderten ein gutes Ergebnis. Ich genoss das Event trotzdem und feierte Einzelerfolge in manchen Rennen. Am Ende stand Platz 54 auf der Ergebnisliste.

Für den zweiten Stopp, ein Trainingslager in Vilamoura/Portugal, saß ich drei Tage im Auto. Leider drei Tage mit Zahnschmerzen. Einer meiner Weisheitszähne hatte kurzfristig beschlossen ans Tageslicht zu stoßen. Mit Schmerzen, Entzündung und unter Einsatz von Antibiotika und Schmerzmitteln, konnte ich ein paar Tage segeln, in denen ich dann unter Berücksichtigung vieler Ratschläge beschloss, dass der Zahn raus muss. So organisierte ich aus dem 3000 km entfernten Portugal meine Weisheitszahn OP in Rostock eine Woche später. Das war aufgrund meiner Krankenversicherung über die Bundeswehr und dem Zeitdruck alles andere als einfach. Zeitdruck deswegen, weil zwei Wochen später schon das nächste Training auf Mallorca stattfinden sollte. Die wahnsinnig flexible Mund-Kiefer-Gesichts Chirurgie des MVZ Rostock konnte mir nach vielen erfolglosen Telefonaten mit anderen Praxen einen Termin zusichern. Da ich zum Glück auf der Autofahrt nach Vilamoura einen kurzen Boxenstopp bei einem Zahnarzt in Hannover eingelegt hatte, konnten wir aus der Ferne mit einem Röntgenbild planen. Plötzlich hieß es nicht nur einen, sondern alle vier Weisheitszähne zu ziehen. Ein paar Tage später saß ich im Flieger über Oslo nach Berlin, schlief dort bei einem alten Schulfreund, setzte mich am Morgen in den Bus von Berlin nach Rostock und wurde schon 2 Stunden nach Ankunft mit zwei dicken Backen von Papa abgeholt, der mich in den nächsten fünf Tagen mit Kartoffelbrei füttern durfte. Sechs Tage Sofa sind schwer auszuhalten, wenn man weiß, dass die Konkurrenten hart trainieren und sich ständig verbessern. Die Genesung verlief zum Glück ohne große Probleme und so saß ich neun Tage nach der OP wieder im Flieger zum nächsten Trainingslager auf Mallorca.

Nach Ankunft in Arenal fühlte ich mich erstaunlich gut. Ich freute mich, über mein Glück im Unglück in den vergangenen Tagen und ich freute mich vor allem aufs Segeln und auf das Team-Training aller Kadersportler und Trainingsgruppenmitglieder des Deutschen Segler Verbandes. Über 60 Sportler hörten interessante Vorträge und machten, neben drei bis vier Stunden Wassertraining am Tag, gemeinsam eine Menge Sport. Schnell musste ich feststellen, dass ich doch noch nicht ganz auf der Höhe war. Ich konnte zwar alles mitmachen, meine Leistungen waren allerdings unterirdisch. Es folgten zwei Wochen Heimtraining, nach denen es Ende März wieder nach Malle, zur nächsten großen Regatta, der Trofeo Princesa Sofia, ging. Die unterirdischen Leistungen setzten sich leider fort. Nach der Qualifikationsserie fand ich mich im Silverfleet wieder, was meinen Ansprüchen ganz und gar nicht genügte. Platz 81 von 183 Startern. Langsam machte sich Verzweiflung breit. Wieder eine Woche Training zuhause. Endlich auch auf heimischen Gewässern vor Kiel.

Dann wieder ab in den Flieger nach Mallorca, ins Auto, auf die Fähre nach Barcelona und weiter nach Hyeres in Frankreich, wo Anfang April der nächste Weltcup stattfand.Irgendwie hatte ich es geschafft, körperlich und vor allem mental richtig gut drauf zu sein und das spiegelte sich im Ergebnis wieder. Platz 23 war ein Erfolg, denn für einen Weltcup qualifizieren sich nur die besten 70 Segler der Weltrangliste. Der Abreisetag aus Hyeres war gleichzeitig der Anreisetag für die Europameisterschaften in La Rochelle. Noch nie hatte ich zwei so große Veranstaltungen ohne Pause hintereinander. Die Wettkampfanspannung über einen so langen Zeitraum aufrecht zu erhalten ist unglaublich kräftezehrend, zumal in Hyeres schon nicht wenig Wind war und bei der EM noch deutlich mehr Wind kommen sollte. Natürlich gab ich trotzdem mein Bestes, schaffte es aber nach der Qualifikation wieder nur ins Silberfleet. Am Ende stand Platz 45 auf der Ergebnisliste.

Ich freute mich, als es 4 Tage später, einen Monat nach Abflug, mit dem Auto auf den Rückweg nach Kiel ging. Während der anstrengenden Segeltage in Hyeres und in La Rochelle entwickelten sich leider auch starke Schmerzen im rechten Knie. Ich hatte diese Schmerzen schon einmal, allerdings gingen sie sonst nach ein paar Tagen Pause wieder weg. Dieses Mal blieben sie, sodass ich den nächsten Trainingsblock, der in Kiel stattfand, abbrechen musste. So schnell wie möglich machte ich einen MRT Termin und die Diagnose traf mich wie ein Hammerschlag. Knorpelschaden zweiten Grades und ein Knochenödem im rechten Knie. Außerdem die Empfehlung, die Saison abzubrechen und über Umstellungen in mehreren Bewegungsmustern beim Segeln nachzudenken oder gar für immer aufs Segeln zu verzichten. Es folgten erst Verzweiflung, dann strikte Physiotherapie, stundenlange Gespräche mit Radiologen, Orthopäden und Physiotherapeuten und zuletzt der Notfallplan. Kein Segeln bis kurz vor der WM und dann alles oder nichts! Es waren komische sechs Wochen, in denen ich mich daran gewöhnte zuhause zu sein und mich nicht aufs Segeln sondern auf andere Sachen zu konzentrieren. Ich verlor sogar den Glauben an mich selbst und an ein gutes WM Ergebnis. Ich plante schon wie es ohne Leistungssport weiter gehen sollte und fand mich mit dem Plan ab. Umso merkwürdiger war es schließlich, als einer von vier qualifizierten deutschen Laserseglern, völlig unvorbereitet, mit der Aussicht auf schlechte Ergebnisse, zur Weltmeisterschaft nach Aarhus in Dänemark anzureisen.

Erst drei Tage Training, dann zwei Tage frei und dann 3 Tage Qualifikation. Im Training merkte ich, dass ich nach so langer Pause sehr schnell war, aber etwas Probleme mit Manövern und engen Situationen zwischen mir und Gegnern bestanden. Ich hatte richtig Freude daran, mich endlich wieder auf meinem Boot zu bewegen und jede noch so kleine Welle oder Windböe zu spüren und in Fahrt umzusetzen. Ich probierte optimistisch zu sein und setzte mein Ziel, als wäre nichts gewesen, auf Top 40 von 165 Startern. Dafür musste ich erstmal drei Tage Qualifikationsserie bestehen, um dann unter den besten 55 Seglern im Goldfleet weiter zu kämpfen. Die ersten zwei Tage liefen relativ gut. Von Glück und Pech hin und hergerissen lagen die Nerven blank und die Angst vor dem letzten Qualitag war mir ins Gesicht geschrieben. Ablandiger Wind in Böen bis 20 Knoten. Das waren nicht meine Wunschbedingungen. Ein Glück hatte ich noch keinen Streicher und es reichte mir ein Rennen unter den Top 25, um mich für das Goldfleet zu qualifizieren. Unfassbar erleichtert konnte ich mich nach einem 22. Und einem 36. Platz auf die letzten 2 Finaltage im Goldfleet freuen. Völlig frei und beflügelt segelte ich am ersten Finaltag eine gute Startkreuz. An Position 12 liegend wurde das Rennen leider wegen einschlafenden Winden abgebrochen. Nach dem Neustart des Rennens lief es weiter gut und ich konnte einen 20. Platz ersegeln. Im zweiten Tagesrennen kam dann leider die Enttäuschung. Ein bleibender Linksdreher kam mir als rechtestes Boot gar nicht gelegen. Diese Wettfahrt blieb bis zum Ende mein Streicher und brachte außerdem eine Ladung Frust mit sich, da mir kein offensichtlicher Fehler passierte und dieser 48. Platz eindeutig unter die Kategorie Pech fiel.

Am eigentlich letzten Tag wollte ich die Wut aus der vorherigen Wettfahrt unbedingt in Geschwindigkeit umsetzen. Top 10 an der Luvtonne ließ mich aufatmen. Der Atem stockte wieder, als das Rennen (wieder) wegen einschlafender Winde abgebrochen wurde. Noch mehr Frust war nun in mir. Beim nächsten Start setzte ich alles auf eine Karte! Rechts starten, rechts raus, Rechtsdreher, ZWEITER an der Luvtonne! Bis ins Ziel verlor ich nur einen Platz und konnte einen dritten Platz einfahren. Dieser katapultierte mich auf einen 34. Gesamtrang! Wegen einer herannahenden Sturmfront wurde das zweite Rennen des Tages auf den folgenden Reservetag verschoben. Zehn Knoten Seebriese und Sonnenschein waren Kaiserbedingungen für ein faires letztes Rennen. Ich war gut drauf und konnte einen 17. Platz ersegeln. Mit etwas mehr Risiko wäre sogar mehr möglich gewesen, aber die sichere Nummer bescherte mir am Ende der WM einen 33. Gesamtrang. Ein Punkt trennte mich nur von einem Top 30 Ergebnis. Ein riesen Erfolg! Etwas wehmütig zog ich meinen Laser aus dem Wasser, denn ich wusste, dass es das letzte Mal sein würde. Die speziellen Bewegungsabläufe im Laser machen meinem Knie zu große Probleme. Das lässt mich aber nicht unterkriegen! Im Gegenteil. Ich sehe nun die Chance, andere Bootsklassen auszuprobieren, die meinem Knie langfristig keine Probleme machen werden. Für meine Körpermaße und mein Knie kommen der 49er und das neue olympische Foil-Kiteboard in Frage. Ich werde beides ausprobieren und den Umständen entsprechend im Oktober entscheiden, wie es weitergehen wird. Ich bin mir aber sicher, dass es weiter gehen wird!

Zuletzt will ich mich zu tiefst bei euch bedanken. Ohne eure Unterstützung wäre nichts von dem möglich gewesen, was ich in den letzten Jahren geschafft habe. Das Segeln ist der wichtigste Teil meines Lebens, den ich ohne euch nicht ausleben könnte. Ich freue mich, dass ich euch mit meiner gelungenen WM etwas zurückgeben kann. Mein Weg zu den olympischen Spielen hat dieses Jahr einen großen Umweg eingeschlagen. Ich bin mir aber sicher, dass dieser Weg, der eigentlich schon spannend genug ist, noch ein grandioses Ende haben wird!

Viele Grüße aus dem Urlaub
Theo B.

Ergebnisse

 

Vielen Dank an meine Unterstützer:

Sportfördergruppe der Bundeswehr | ATEK-Antriebstechnik | Deutsche Sporthilfe | Röbeler-Segler-Verein "Müritz" e.V. | Glashäger | Land Mecklenburg Vorpommern | Laser Deutschland | Blickpunkt Eckernförde | Optik Heisel | MPG&E – Kontaktlinsen | Olympiastützpunkt Hamburg-Schleswig-Holstein
Lubinus-Aktiv Peter Frisch GmbH | www.AquaEquip.de | Malchiner Segler-Verein e.V.